26. bis 30. September 2018 – die Studienreise in die Ukraine gibt es hier noch einmal zusammengefasst, hautnah für alle zum Miterleben.
Ost-Romantik und k.u.k-Nostalgie
Die Fahrt.
Die Ost-Romantik kommt schon am Bahnsteig in Wien auf. Schaffner Sergej brüllt Kommandos auf Ukrainisch. Wir steigen ein, er scheucht uns zu unseren Plätzen. Wir beziehen unsere Abteile, Sergej wirkt nicht zufrieden. Sergej fragt uns nach Wein oder Bier, aber jedenfalls eines davon, „Gut?“
Der Speisewagen, der bis Zahony mitfährt, wird anders als unser Zug von der slowakischen Bahn betrieben und hat die Preise in Euro angeschrieben. Die Speisekarte sieht gut aus. Leider gibt es ein Problem mit dem Gasanschluss und deshalb nur Bier und Weißwein.
Die Ankunft.
Lwiw ist durchaus eine Touristenstadt, insbesondere freitags und samstags tummeln sich nicht nur Besucher:innen aus Polen in der belebten Innenstadt. Mathematiker:innen pilgern ins ehemalige Schottische Café im Hotel Atlas. Die Stadt bemüht sich, etwas zu bieten. Es gibt Themenrestaurants und eine exquisite Schokoladenfabrik, die Hotels sind in einem Topzustand (Lwiw war auch Austragungsort der EURO 2012).

Mehrsprachige Inschriften an Geschäften zeugen von der Vielfalt der Stadtbewohner:innen, insbesondere vor dem 2. Weltkrieg. Die Kaffeehäuser versprühen Fin-de-Siècle-Charme. Auffallend und vom Rathausturm gut ersichtlich war der wohl erhaltene Stadtkern. Dieser stammt aus dem 16. Jahrhundert, nachdem die älteren mittelalterlichen Fachwerkbauten einem Brand zum Opfer gefallen waren. Bauten aus der Sowjetzeit finden sich hier nicht, jüngere Renovierungsarbeiten sind aber deutlich zu erkennen.
Vom Krieg merkt man in Lwiw nicht viel. Im Seitenschiff der Dominikanerkirche finden wir Portraits der gefallenen Soldaten ausgestellt. Am Hauptplatz werden Putin-Klopapier und ein spöttisches Craftbier verkauft. Wirtschaftlich hat der Krieg die Ukraine durch die Inflation 2015 hart getroffen, negatives Wachstum inklusive, doch das Land kann nun wieder steigende positive Wachstumsraten bei stabiler Inflation aufweisen. Und noch einen Vorteil habe der Wegfall der Bezirke (Oblaste) Donezk und Luhansk, meint Journalist Yuri Durkot im Gespräch beim Abendessen: die Schwerindustrie dort sei stark subventioniert gewesen, die beiden Industrieregionen waren Nettoempfänger. Förderungen aus Kiew bekommen sie nun freilich nicht mehr.
Geld verdient man in Lwiw abseits des Tourismus vor allem in der IT-Branche. Es gibt aber auch eine neu errichtete Speiseölraffinerie sowie einen Käsebetrieb, den wir besichtigen. Wir bekommen Öl geschenkt und verkosten den Käse. Die Käserei verarbeitet nur Milch ihrer eigenen Tiere: Kühe und Ziegen. Vor dem Ziegenstall steht ein kleiner Streichelzoo, in dem sich auch zwei Schafe und ein Reh unter die Ziegen geschummelt haben, quasi Austausch unter Paarhufern.
Nicht streicheln durfte man die Bären im Reservat der Vier Pfoten. Dort werden vor rücksichtslosen Privathaltern (z.B. Restaurants, Zirkussen, Jagdhundeschulen) gerettete Braunbären in einem Waldareal gepflegt. Eine ähnliche Einrichtung findet sich übrigens auch etwas näher am Yspertal, in Arbesbach.
Der Abschied.
Zum Schluss sind wir bei Marika zum Festmahl geladen. Die letzten Kilometer legen wir im Schritttempo auf einer Schotterstraße zurück, die breit genug ist, damit die Pferdefuhrwerke unseren Bus überholen können. Es warten eine Unzahl lokaler Delikatessen, allesamt auch für sich genommen nicht karfreitagstauglich, dazu die letzten Reserven Wein von der Krim. Zehn Gänge und mindestens so viele Runden Schnaps später bedanken wir uns und rollen wieder retour, zur Stadt Stryj, schauen kurz in die Disko und dann zum Bahnhof. Sergej treffen wir nicht wieder.
Alexander Lunzer
Maturajahrgang 2004









